Gerade gelesen: KILL DEIN KANINCHEN! Wie du irrationale Ängste kaltstellst

(von Ralf Schmitt & Mona Schnell; GABAL Verlag; 2018)

Cleverer Titel – ein echter Hingucker! Jeder assoziiert ihn sofort mit dem Bild vom Kaninchen vor der Schlange, und wir sind das Kaninchen, gelähmt vor Angst, unentschlossen, handlungsunfähig. Das ist die Ausgangslage des Buches. Die beiden Autoren sind keine Psychologen oder Therapeuten – sondern Trainer, Werber, Eventmanager – und sind deshalb auch nicht der Versuchung erlegen, ein profundes tiefenpsychologisches Fachwissen erschöpfend auszubreiten. Sie schreiben für eine breite Leserschaft, verständlich und an Erfahrungen anknüpfend, die wir alle im Alltag machen. Angst vor Einsamkeit, Armut, Veränderung, Verlust, Krankheit, oder der Zukunft insgesamt.

Das Thema ist ernst, dennoch hat das Buch hat eine gewisse Leichtigkeit, weil die Verfasser einen unkomplizierten und unbefangenen Zugang zur Materie haben und sich auf ihre Beobachtungen und Lebenserfahrung verlassen. Das macht das Ganze leicht nachvollziehbar.

Weiterer Pluspunkt: Das ganze Buch hindurch werden nicht nur individuelle Angstreaktionen beschrieben, sondern politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche Umstände und Entwicklungen aufgegriffen: Das Geschäft mit der Angst, der Hype um Katastrophen, medial verstärkte Ängste, zunehmendes Tempo und Druck, all die Erwartungen an Erfolg und Performance. Und das bekannte (typisch deutsche?) Paradoxon: je besser es uns wirtschaftlich geht, desto mehr Angst haben wir. Einzeln und im gesellschaftlichen Kollektiv.

Dabei sind Ängste nicht etwa Teufelszeug, sondern evolutionär angelegt und ursprünglich überlebensnotwendig. Allerdings nehmen sie überhand und sind darin nicht mehr nur wertvolles Warnsystem, sondern übersteigerte Belastung. Mit einer Mischung aus Fakten, Reflektionen, praktikablen Tipps und Motivationshilfen wiederholen Schmitt und Schnell vieles, was wir schon in Büchern oder Illustrierten gesehen haben, bringen es aber hilfreich zusammen. Das Buch ist klar aufgebaut, was auch Quereinstieg und selektives Lesen erlaubt.

Wichtig ist der Hinweis: Kill dein Kaninchen ist im übertragenen Sinne gemeint!

Gerade gelesen: FEIERABEND! Warum man für seinen Job nicht brennen muss

(von Volker Kitz; Fischer Taschenbuch 2017; 8,- €)

Ein schnell und vergnüglich zu lesendes Buch. Diejenigen, die die innere Kündigung erwägen, fühlen sich bestätigt; die anderen, die ihre Tätigkeit nicht nur als Job, sondern als Karriere oder gar Berufung (S. 65) betrachten, kommen vielleicht ins Grübeln.  Volker Kitz versucht, den Hype um Leidenschaft und Aufgehen in der Arbeit als kalkuliertes  Employer Branding zu demaskieren, das sich im Arbeitsalltag schnell abnutze oder sogar in Zynismus in der Belegschaft umschlage. Wenn er die Lebenslügen des Arbeitslebens beschreibt („Selbstverwirklichung“) ist er auch ganz solider Unternehmer: „Ein nüchterner Kopf liefert bessere Ergebnisse als ein leidenschaftstrunkener … Es sind scheinbar banale Dinge, deren Fehlen die täglichen Fehler auslöst: Sorgfalt und Zuverlässigkeit, Konzentration und Aufmerksamkeit“.

Dazu gehört auch ein kurzes Loblied auf die Routine – sie ist es, durch die wir wirklich gut im Job sind, oder wollen Sie mit einem Piloten fliegen, der Ihnen bei der Begrüßung vor dem Start sagt, dass jeder Flug für ihn eine Herausforderung ist?

Allerdings möchte ich mir als Leser doch eine Erkenntnis nicht nehmen lassen: Ein wenig Leidenschaft und Hingabe ist auch Grundlage dafür, dass wir in einer oder mehreren Dingen richtig gut sind. Sonst könnten wir die 10.000 Stunden, die wir nach Malcolm Gladwell brauchen, um in etwas meisterlich zu werden, nicht durchhalten. Nur sollten Arbeitgeber dies nicht mit leeren Parolen, gebrochenen Versprechen und demotivierendem Verhalten verhindern.

Apropos Employer Branding: Kleiner Tipp an alle Start-Ups und Firmen, die eine „Start-Up-Kultur“ pflegen wollen: Löschen Sie bitte Sätze wie: „And we offer the best coffee in town“ oder „Täglich frisches Obst“ oder „Dart und Kicker gehören bei uns natürlich dazu“ aus Ihren Stellenanzeigen und Social Media-Werbung.  Erstens machen das alle, ist also nicht mehr besonders aktuell. Zweitens fallen wirklich nur Berufsanfänger darauf herein, dass es dafür im Gegenzug eben 200 Euro weniger Gehalt gibt. Und drittens müssten Sie auch tatsächlich täglich das Obst mal auswechseln und nicht nur Montag früh. Allerdings: Kickern und Tischtennis zwischendurch bedeutet Bewegung in der Pause und ist wirklich hilfreich! Aber das muss ja nicht in die Stellenwerbung – Understatement mag ja old school sein, ist aber dennoch cool.